Süddeutsche Zeitung
Neulich in Napier
Auf den Flughäfen dieser Welt zeigt sich ja oftmals bereits der Zustand der jeweiligen Reisedestination. In München oder Frankfurt etwa läuft zumeist alles in geordneten Bahnen – was dem Klischee folgend den typischen deutschen Sekundärtugenden entspricht. Auf dem Athener Airport dagegen sind die Seifenspender so leer wie die Staatskassen. Dagegen wird auf dem Flughafen von Los Angeles tendenziell jeder Ankömmling so misstrauisch und rüde wie ein möglicher Terrorist von den Sicherheitskräften begrüßt, was die teils hysterische Stimmung im Land auch ganz gut widerspiegelt.
Ganz anders in Neuseeland, auf dem Flughafen Hawke’s Bay der Kleinstadt Napier. Dort ist alles locker und entspannt. Reisende wundern sich, dass sie noch 20 Minuten vor Abflug in die Hauptstadt Wellington einchecken können. Und kreuzt man dann tatsächlich erst 22 Minuten vor dem Start am Schalter auf, ruft die Air-New-Zealand-Angestellte: „Sie sind aber früh dran!“ Sie meint es nicht ironisch und drückt einem augenblicklich die Bordkarte in die Hand.
Noch immer sind es 20 Minuten bis zum Abflug, man macht sich als flughafengeschulter Westeuropäer auf die Suche nach den Durchleuchtern, den Fließbändern, den Piepsgeräuschen. Die gibt es hier aber nicht. Der Flughafen besteht aus einem Raum in der Größe einer Turnhalle. Geht man an den Schalter zurück, um die Frau nach dem Sicherheitsbereich zu fragen, lautet ihre Auskunft: „Haben wir nicht!“ Und die Handgepäckkontrolle? „Haben wir auch nicht. Wir vertrauen unseren Leuten.“ Als sie den verdutzten Blick des ausländischen Besuchers sieht, fügt sie hinzu: „Neuseeland ist ja schließlich nicht das Land der großen Weltpolitik.“
So trollt man sich zum Gate und wartet weitere 18 Minuten in Napier. Einem Flughafen, der so ist wie das Land, in dem er sich befindet. Ein Land, dessen Bewohner ihre Haustüren nicht verschließen und ihre Autoschlüssel im Zündschloss stecken lassen. Ein Land, in dem Menschen leben, deren Daumen immer nach oben zeigen und deren Hunde, wenn überhaupt etwas, nur Schafe anbellen. Während des Fluges nimmt man einen Schluck aus seiner zwei Liter großen Wasserflasche, an der sich nicht einmal die Flugbegleiterin stört, und denkt: Ja, so schön kann eigentlich nur Fliegen sein. Marco Maurer