Logo - Marco Maurer Journalist


„Ich würde sofort im Gaza-Streifen auftreten!“

Der israelische Musiker Asaf Avidan im Interview

Heute hat Israel sein Parlament gewählt. Wir haben dazu einen der wichtigsten jungen Musiker des Landes gefragt, wie es ist, gerade in Israel Musik zu machen und wie es sich anfühlt, als Israeli in Deutschland unterwegs zu sein.
Ein israelischer Musikjournalist schrieb über Asaf Avidan &The Mojos, ihr Debütalbum „The Reckonig“ sei das „wichtigste Rock-Album in der Geschichte Israels“, das mexikanische Rolling-Stone-Magazin nannte Asaf Avidan „den neuen Messias“, er ist nominiert für die „MTV European Music Awards“, Morrissey wählte ihn als Support für seine Israelkonzerte aus und in einer der letzten Ausgaben des deutschen Rolling-Stone-Magazines war er auf der CD im Heft vertreten. In Israel ist sein aktuelles Album für viele Experten und Fans die Platte des Jahres.

Asaf, du warst bereits auf Reisen in Deutschland. Wie ist es für einen jungen Israeli, das erste Mal in Deutschland zu sein?
Deutschland ist erstmal ein wunderschönes Land, mit aufregenden Städten wie München oder Berlin. Gerade Berlin ist aufregend. Als ich dort war, traf ich auf verschiedenste Kulturen und Religionen, und dann wurde mir klar, das hier hat nichts mehr mit dem früheren Deutschland zu tun. Manchmal ist es aber schon noch merkwürdig, wenn du in Deutschland Zug fährst, die Schienengeräusche wahrnimmst und eine deutsche Stimme hörst. Dann zählst du eins und eins zusammen, und fühlst dich komisch.

Du wirst dieses Jahr unter anderem beim Haldern Pop oder beim Taubertal Festival in Rothenburg auftreten. Ist es für Dich aufgrund der Historie zwischen Israel und Deutschland etwas Besonderes, auf deutschen Bühnen zu spielen?
Hmm, ich glaube ja. Gerade weil Israel und Deutschland eine lange und dunkle Geschichte haben und Konzerte von Israelis wie uns in Deutschland zeigen, dass sich Geschichte positiv wandeln kann. Dennoch will ich nicht den Eindruck wecken, dass in der Sekunde, wo ein Israeli nach Deutschland einreist, der Holocaust alles ist, worüber er nachdenkt.

Deine Musik erinnert ein wenig an José Gonzáles oder Devendra Banhart. Sind beide musikalische Vorbilder von Dir?
Keine Vorbilder, nein. Aber ich glaube, wir liegen musikalisch eng beieinander. Außerdem habe ich mich mal mit Devendra Banhart auf einen Kaffee in Tel Aviv getroffen, CDs getauscht und ein wenig mit ihm geredet. Ich kenne ihn über Natalie Portman, seine Exfreundin, und eine Freundin von mir.

Viele Deiner Lieder erzählen mir, Du hattest schon häufiger Liebeskummer…
Yeah, yeah, yeah. Leider hast du Recht…Aber außerdem war ich vor meiner Zeit als Musiker auf einer Schule für Film und Animation und unser Lehrer sagte, alles was wir für das Drehbuchschreiben wissen müssten, ist, dass jede gute Geschichte zwei Fundamente hat. Die gelten auch für die Musik. Die eine ist Liebe, die andere der Tod.

Du nimmst gerade Dein neues Album auf, werden auf dem dann auch Lieder über den Tod, also den Krieg in Israel zu hören sein?
Ich wünschte, ich könnte das. Aber immer wenn ich versucht habe, Lieder über den Krieg oder die politische Situation in Israel zu schreiben, dann hat sich das so wenig real angehört, es fühlte sich immer an, als käme es nicht von mir, als käme es aus meinem Kopf und nicht von Herzen. Ich hoffe, dass ich mich da weiterentwickle und dass ich bei meinem dritten oder vierten Album imstande bin, Songs über solche Themen zu schreiben. Aber sogar Leonard Cohen, Bob Dylan oder Morrissey haben in ihren Anfängen zu 90 Prozent über missglückte Beziehungen gesungen.

Wie beeinflusst Dich die politische Situation im Land?
Auf der einen Seite überhaupt nicht, auf der anderen Seite verändert es alles. In Tel Aviv, dort wo ich lebe, ist es nicht so wie am Gaza-Streifen. In Tel Aviv ist es wie in jeder anderen europäischen Großstadt. Dennoch ist in dir ein Gefühl der Unruhe, eines mit dem du aufwächst, eines das Israel prägt.

Kannst Du ein Beispiel für dieses Gefühl geben?
Ja, unser Gitarrist ist neulich nicht zu einem unserer Auftritte gekommen, wir mussten Ersatz finden. Das Militär hat ihn geholt und er hat für zehn Tage gehen müssen, um im Gazastreifen zu kämpfen. Er ist wohlauf zurück. Dennoch ist so etwas schon seltsam.

Was hast du in dem Moment gedacht, als er nicht kam?
Dazu muss ich sagen, dass wir von der Band alle politisch ganz klar links stehen. Dennoch muss sich unser Land irgendwie verteidigen, weil wir wissen, dass wir in einem Land leben, dass alle paar Jahre um seine Existenz kämpft, und das seit 60 Jahren. Es ist eine Dilemmasituation. Ich machte mir Sorgen um ihn, aber am Ende bist du nur froh, dass deine Freunde gesund und sicher wiederkommen.

Dein Vater hat für das israelische Außenministerium gearbeitet. War Politik bei Euch immer ein Thema am Küchentisch?

Ich denke Politik ist an jedem Küchentisch Israels zuhause. Das ist Israel. Du redest und hörst immer und überall über Politik – sogar bereits die Kinder. Das ist gleichermaßen gut und schlecht. Es ist schade, dass Kinder hier in Israel so schnell erwachsen werden, andererseits bilden sie schnell ihre Meinung, sind nicht politisch desinteressiert und engagieren sich deswegen stark in politischen und sozialen Bewegungen.

Seid ihr während des Krieges auch aufgetreten?
Ja, allerdings konnten wir im Süden nicht spielen, Konzerte wurden abgesagt, weil die Angst da war, die Städte könnten mit Raketen beschossen werden. Aber im Zentrum Israels sind wir schon aufgetreten – in Tel Aviv, Jerusalem oder Kfar Saba.

War die Stimmung auf euren Konzerten während des Krieges ruhiger, oder eher ausgelassener als vor dem Ausbruch?
Weder noch, die Leute gehen aufs Konzert, weil sie unterhalten werden wollen. In den 90 Minuten während eines Konzertes wollen sie einfach vergessen, abschalten, das Draußen nicht reinlassen. Musik kann den Krieg vergessen machen – für 90 Minuten. Aber ich muss auch sagen, Israel besteht nicht nur, wie man im Fernsehen sieht, aus dem Gazastreifen, aus Panzern oder Leuten, die Steine auf die Straße schmeißen. Zumeist ist Israel ein schönes, ein friedliches Land.

Hattest Du dennoch jemals Angst vor Selbstmordanschlägen während eurer Konzerte?
Ja, manchmal schon. Es gibt von Zeit zu Zeit Momente während eines Konzertes, wo ich auf der Bühne stehe, irgendetwas Seltsames sehe und daran denke. Früher war das noch häufiger so, aber mittlerweile treten wir vor mehr Menschen auf. Mit der Größe der Konzerte sind die Sicherheitskontrollen aber gestiegen. In dieser Hinsicht fühle ich mich sicherer.

Bist Du momentan stolz auf dein Land?
Ich bin ein Teil Israels, ich liebe es, trotz der vielen Probleme. Ich denke es ist ein wunderschönes, aber gleichzeitig auch ein schreckliches Land. Es ist warm hier, Israel ist ein soziales Land, wir werden hier gut medizinisch versorgt, die Leute halten stark zusammen. Dennoch läuft einiges schief, aber ich spüre einen neuen Optimismus in Israel. Barack Obama sagte in seiner Antrittsrede einen Satz, der mich fast weinen ließ:„Wenn ihr eure Fäuste öffnet, werden wir Euch unsere Hände entgegenstrecken.“ Das müsste doch auch für Israelis und Palästinenser gelten.

Wie ist Dein Verhältnis zu Palästina?
Darauf eine Antwort zu geben, ist sehr kompliziert. Auf der einen Seite bin ich Humanist, und denke, jeder auf der Welt sollte dass Recht haben, das zu denken, was er denken darf. Ich denke, jeder Israeli und die Mehrheit der israelischen Regierung will, dass die Palästinenser einen Platz haben, an dem sie leben können und frei sind von einem israelischem Regime. Es ist schwierig für mich, nachzuvollziehen, weswegen Israel Palästina besetzt, ohne an die daraus resultierenden Folgen zu denken, nämlich einen Feind in der Nachbarschaft großzuziehen. Auf der anderen Seite führt es auch zu nichts, wenn die Palästinenser eine terroristische Gruppe wie die Hamas in die Regierung wählen. Ich hoffe, dass Palästina es schafft, eine Regierung aufzustellen, die in Verhandlungen mit einer ebenfalls neuen israelischen Regierung treten kann.

Würdest Du gerne im Gazastreifen auftreten wollen?
Sehr, sehr gerne. Wenn mir nur zwei Mensch erzählten, „He, jetzt ist es sicher da drüben“, schon würden wir das machen.

Weißt Du, ob es manche Deiner Lieder schon über die Grenze nach Palästina geschafft haben?
Ich hab schon ein paar Mal auf meiner myspace-Seite nach Einträgen aus Palästina geschaut, gefunden habe ich keine. Somit: ich weiß es nicht, aber ich hoffe es, denn Musik ist Musik, in Israel und in Palästina.

Denkst du, nur ein Lied kann den Frieden zwischen zwei Ländern bringen?
Nein, aber ein Lied über den Frieden, wie etwa John Lennons „Imagine“ kann nur in einem Land entstehen, wo der soziokulturelle Nährboden für Demokratie gegeben ist, es soziale Bewegungen gibt oder eine Aufbruchstimmung herrscht. Die Berliner Mauer fiel ja auch nicht in einem Tag.
Interview: Marco Maurer