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Alles über mich

Egal, über welchen Prominenten Mark van Huisseling schreibt, er schreibt vor allem über sich selbst. So möchte der Journalist Glamour in die vermeintliche Schweizer Langweiligkeit bringen. Dafür erntet er Zuneigung aber auch Hass. Ein Treffen in Zürich

Wenn man einem Land und seinen Bewohnern keine Allüren zuschreiben mag, dann der Schweiz. Hat sie doch einen Promi von Weltruhm wie den Tennisspieler Roger Federer, dann kommt der eher diskret rüber. Welchen Ansatz wählt man aber, wenn man hauptsächlich über Prominente schreibt – ausgerechnet in der Schweiz? Man sucht sich internationale Berühmtheiten. Und: Man legt sich selbst Allüren zu.

So könnte man das Schaffen Mark van Huisselings sehen. An einem Freitagmorgen, acht Uhr, in einem Cafè an den Ausläufern des Zürichbergs lässt sich diese Frage mit ihm erörtern. Van Huisseling oder auch „MvH“, Jahrgang 1965, ist unter seinem Chef Roger Köppel Stilexperte des Schweizer Wochenmagazins Weltwoche. Mit Vorliebe schreibt er kolumnenartige Porträts. Populär wurde MvH durch seine Kolumne „Kaufzwang“, für die er allerlei Prominente von Mariah Carey bis Robbie Williams traf. Heute heißt sie „MvH trifft“. Zudem leitet van Huisseling das Stil-Magazin der Weltwoche, das mittlerweile den schlichten Titel WW trägt.

Van Huisseling kombiniert Halstuch mit feinem Hemd, im Hintergrund spielt Kammermusik. Der Ort ist mit Bedacht gewählt, van Huisseling bestellt sich einen Tee und „a Gipfeli“, ein Croissant – und das in bernerischem Idiom, was daran liegt, dass er ursprünglich nicht der Zürcher Goldküste, sondern vielmehr dem eher migrantisch geprägten Bern-Bümpliz entstammt. Vater wie Mutter sind Supermarkt-Angestellte, er selbst ist Einzelkind. Verschlungene Wege führten ihn in seine heutige Heimat. Die Basler Zeitung schrieb jüngst über diese Zeit: „Mark ist einer, der zweimal geboren wurde. Das zweite Mal mit 25, und die Mutter, die ihn zur Welt brachte, und der Gebärsaal waren identisch: Zürich.“

Über die Schweizer Protagonisten seiner Geschichten, Prominente und Schweizer der Öffentlichkeit, sagt van Huisseling: „Jedes Land hat die Berühmtheiten, die es verdient. Die Schweiz hat vielleicht nicht keine, aber wenige. Die gute Nachricht: Es gibt auch fast niemanden, der darüber auf eine, so finde ich, kluge Art schreibt.“ Zack, da ist er also in Person, der stets von sich überzeugte van Huisseling, über den viele Schweizer vor allem sagen: „Oh weh, dieser Egozentriker!“ Die Schweizer Illustrierte schreibt, er sei der „meistgehasste“ Journalist der Schweiz. Hintergrund ist, dass er in der oftmals zurückhaltenden Schweiz kaum zurückhaltend agiert. Er schreibt in seinen Kolumnen radikal subjektiv, das „Ich“ ist immer präsent, und vor allem zieht er über internationale Stars genauso her wie über schweizerische Eigenheiten. Er spricht, wenn Eidgenossen diskret schweigen, und manchmal sind seine Texte auch einfach sehr anders als die üblichen Beschreibungen von Promi-Treffen. Jüngst veröffentlichte die Weltwoche ein Protokoll des Treffens zwischen Elke Heidenreich und van Huisseling. „Der fragt mich nach dem Lieblingsrestaurant, nicht nach dem Lieblingsbuch? Ist auch komisch“, wird Heidenreich zitiert.

Manch ein Promi fühlt sich vor den Kopf gestoßen, Michelle Hunzikers Manager schrieb ihm mal: „Wenn sie einer nicht sprechen darf, dann sind Sie das.“ Der Regisseur Spike Lee schwärmte dagegen: „Hey, coole Frage, Mann – für wen schreibst Du noch mal?“ Thomas Borer, der ehemalige Schweizer Botschafter in Berlin, sagte wiederum: „Wie ein billiger Paparazzo!“ Van Huisselings Texte polarisieren, weil sie frech und ungeschönt sind, und vor allem weil sie immer auch von ihm selbst handeln.

Wenn er über die Gründe seines Promi-Faibles spricht, ist auch dieser dauerpräsente Ich-Kosmos herauszuhören: „Erstens: Prominente zu interviewen, ist sehr einfach. Zweitens wird man als Journalist durch die Nähe selber prominent. Das ist wie beim Leichentuch von Jesus – das ist jetzt auch heilig. Drittens: Eine Plattitüde von einem Prominenten kommt immerhin von einem Prominenten.“

Auf die Frage ob ein Text von ihm ohne „Ich“ nicht funktioniert, antwortet er: „Das ist doch bei jedem so, oder?“ Dass der Leser dann auch aus einem MvH-Text über Rio erfährt, dass dieser nicht unbedingt das Faible der Brasilianer für – Zitat van Huisseling –„mehr bunda“, also eher beleibtere Hintern, teilt, ist ein gewollter Kollateraleffekt bei van Huisseling. Er scheint gerne mit seinem Image zu spielen. Es ist kein Geheimnis in Zürich, dass van Huisseling zu Interviews früher mit seinem Maserati vorfuhr. Auf diese Inszenierung angesprochen, hüstelt er in seinen Tee und sagt: „Ich habe versucht, eine Marke aufzubauen, eine Unverwechselbarkeit zu erreichen. Im Beruf bin ich egozentrisch, im privaten Leben weniger, hoffe ich. Es gibt einen MvH und einen Mark van Huisseling. MvH ist der für die Medien, der andere ist der Mensch.“ Außerdem sei die Maserati-Zeit nun vorbei, er fahre nun Saab, was er mit einem Fingerzeig auf seinen Schlüssel bestätigt.

Mitarbeiter beschreiben van Huisseling als loyalen, netten Chef. Sich eine Marke als Journalist zuzulegen, gilt seit einiger Zeit als sinnvoll in der kriselnden Print-Industrie. Van Huisseling hat das früh erkannt; er ist ein Fan des verstorbenen Reporters Marc Fischer und dessen subjektiven Texten, die ihn zu einem Wegbereiter des Popjournalismus machten. Züge davon tragen auch die MvH-Texte, Marke flanierender Bling-Bling-Boulevard-Journalismus. Die äußerst wertkonservative Weltwoche unter Roger Köppel ist nicht unbedingt das Medium, bei dem man das erwartet, weil sie ganz weit weg ist von den schönen Dingen, über die MvH etwa in seinen Stil-Magazin schreibt. So schürt Köppel in der regulären Weltwoche eher Ängste, etwa gegen den Islam, Migranten oder die europäische Idee. Darauf angesprochen lacht MvH gequält und sagt: „Was soll ich sagen? Es ist vermutlich schon so, dass einzelne Ausgaben der Weltwoche keinen Rückenwind für uns verursachen.“ Das Weltwoche -Logo auf dem Titel der Stil-Beilage wurde immer kleiner. Dem Stilexperten van Huisseling war es wohl ein Dorn im Auge. „Wir haben uns entschieden, den Namen zu wechseln. Das ist eigentlich Aussage genug. Und im Detail, ja, das Image passte nicht. Für Anbieter von Luxuswaren, für die wir im Heft werben, ist jede Art von politischer Positionierung falsch.“

Dieser Ansatz passt auch zum Privatmann van Huisseling, der über sich sagt: „Ich habe keinen politischen Lebensentwurf. Ich war seit 15 Jahren nicht mehr beim Wählen. Ich habe einen Zweitwohnsitz in Ibiza. Ich interessiere mich für einen funktionierenden Flughafen und niedrige Steuern.“ Auf die Nachfrage, ob er deshalb unsozial sei, sagt er: „So gesehen – ja.“ Nach diesem Satz trinkt er einen Schluck Tee, seine Mimik verrät, dass ihm diese Worte gut gefielen. In Sätzen wie diesen spricht die Lust am Polarisieren mit, sie sind glaubhaft, klingen nach van Huisseling, nicht nach der Marke MvH.

Das oft zögerliche Schweizer Fernsehen (SF) schreibt van Huisseling zu, der „bekannteste“ Vertreter seines Handwerks zu sein. Am ehesten der Wahrheit entspräche wohl, dass van Huisseling einer der durchgeknalltesten Schreiber der eidgenössischen Journalisten-Zunft ist. Und das ist ja auch ein Wert. Marco Maurer