Süddeutsche Zeitung
Der Fluch des Schlurfsounds
Peter Kruder und Richard Dorfmeister gehören zu den wenigen echten Popstars Österreichs. Die beiden gebürtigen Wiener haben sich aber in den letzten Jahren etwas zurückgezogen und sich eher ihren zahlreichen Soloprojekten und ihrem Plattenlabel G-Stone gewidmet. Seit 1998, seit ihrer legendären Platte „The K&D-Sessions“, einer Mischung aus Ambient, Hip-Hop, Jazz und Trip-Hop, gab es keine Veröffentlichungen unter gemeinsamem Namen mehr. Am Freitag (Beginn 20.30) spielen Kruder&Dorfmeister im Kesselhaus.
Warum jetzt wieder mal eine komplette Tour, Herr Dorfmeister?
Das hat sich seit 2001 einfach nicht ergeben. Aber nun wollten wir mal wieder auf uns, quasi auf das Label „Kruder&Dorfmeister“, hinweisen, ein Lebenszeichen setzen. Und: Wir wollten uns mit dem Image, das manche Leute von uns haben, nicht zufrieden geben.
Für was stehen Kruder&Dorfmeister?
Es steht jedenfalls nicht für einen hundertprozentigen Sell-out, sondern vielmehr für eine musikalische Qualitätskontrolle. Das haben wir auf unserer Tour in den letzten Wochen erlebt. In London kamen gut 2000 Leute – und das nach so langer Zeit ohne Aufmerksamkeit.
Vielleicht ja, weil man Ihre Musik auch aus amerikanischen Kaffeehäusern kennt. Welcher Begriff ist Ihnen denn für dafür am liebsten: Wiener Schlurfsound, Starbucks Ambient Music oder ganz neutral Down-Tempo-Musik?
Es stimmt schon, da gab es plötzlich diese Blase, den „Wiener Sound“. Nach uns gab es eine Menge Compilations, die versuchten, unseren Sound zu kopieren. Daraus entstand so etwas wie Friseurmusik. Am Ende sind wir dafür verteufelt worden; unsere Musik galt plötzlich als böse. Deswegen würde ich sagen, wir spielen den G-Stone-Sound.
Dieser Sound wird oft dafür benutzt, Trash-TV zu untermalen – zum Beispiel bei den berüchtigten Hartz-IV-Reportagen. Fühlt man sich da als Künstler missbraucht?
Das ist schon öd, grenzwertig und vor allem: zu beliebig. Ende der 90er Jahre waren wir „too much“. Und wenn etwas zuviel wird, dann nervt es. Und irgendwann denkt man dann, das ist Schrott, obwohl es eigentlich gut ist. So wäre es mir als Hörer mit K&D auch gegangen. Wenn es jeder hört, die pure Masse, dann gibt es nichts Spezielles, nichts mehr zu entdecken. Dadurch wurde unsere Musik zur Musik für Jedermann.
Peter Kruder sagte mal, man sei „eher am Fluss interessiert als an Brüchen“. War man zu gefällig?
Glaube ich nicht. Wir waren ja nicht öde, wollten nicht um des Gefälligseins gefällig wirken, wir haben einfach gemacht. Die Intention war nie, happy Musik zu kreieren, sondern Musik mit einer gewissen Tiefe. Irgendwann entwickelte das ganze Genre aber ein Eigenleben.
Warum wurde diese Musik so groß?
Da gab es viele Faktoren. Der Größte? Das Musiklabel K7 aus Berlin, die waren die Antreiber. Die Zeit von 1999 bis 2000 waren für uns einfach „golden years“. Aber auch der Zeitgeist der 90er Jahre half uns. Leider auch all den anderen.
Sind Kruder&Dorfmeister Relikte ihrer Zeit, der 90er Jahre?
Ja, das denke ich mir auch manchmal. Jeder hat in seiner Zeit sein Momentum. Die Stones hatten ihre beste Zeit von 1968 bis 1978. Aber wir wollen unsere Lebensspanne auszuweiten, indem wir uns nicht so häufig zeigen.
Wenn die Loungemusik der 90er Jahre diese Zeit repräsentiert, sind Kruder & Dorfmeister dann die Stones dieser Zeit?
Die Stones der 90er? Ja, den Umstand kann man nicht abstreiten. Die Stones haben einen gewissen Bezug zu einem speziellen Jahrzehnt und wir auch.
Peter Kruders Karriere ging vom Friseur zum berühmten Musiker, Ihre eigene vom studierten Querflötisten zum Star. War der Aufstieg unheimlich?
Eigenartig, keine Frage. Aber wir hatten eher eine gute Welle. Wir sind ja nicht die Fanta 4 oder Jamiroquai. Unsere Platte, die K&D-Sessions, war vielleicht ein Riesending, aber wir als Act waren eher nur gehobene Mittelklasse.
Dass Sie es abgelehnt haben, einen Remix für die Fantastischen Vier zu machen, kann man verstehen, aber warum nicht für R.E.M., U2 oder Grace Jones?
Die größten Anfragen kamen nach dem Mix, den wir 1999 für Madonna gemacht haben. Da wollte dann auf einmal jeder was von uns. Das waren so viele, das wäre Fließbandarbeit gewesen.
Sie hätten sich damit selber geschadet.
Das wäre komplett inflationär gewesen. Wir hätten die K&D-Sessions bis Serie 20 machen können. Wir haben aber nach einer Folge aufgehört, obwohl uns jeder Plattenboss geraten hatte fortzufahren. Doch wir wollten nicht nach dem Stirb-Langsam-5-Prinzip produzieren. Vielleicht waren wir aber auch einfach ein wenig dickköpfig.
Ihnen wurde oft in Ihrer 17-jährigen Historie vorgeworfen, der Sound sei zu konstant. Nie an Veränderung gedacht?
Die Veränderung war die Konzentration auf die anderen Projekte.
Seit 2001 sind Sie jetzt zum ersten Mal auf Tour, wird es nach 1998 auch ein neues Kruder&Dorfmeister-Album geben ?
Ich hoffe. Weil, wenn nicht, sind wir bald tot. Aber wir wollen uns den Schmäh erhalten. Eine Volksmusikplatte wird es deswegen nicht werden.
Interview: Marco Maurer