Süddeutsche Zeitung
EIN ANRUF BEI…
Der ehemalige Bundesliga-Stürmer und DFB-Pokalsieger Norbert „Nobby” Dickel, (45 Tore in 123 Ligaspielen) ist heute Stadionsprecher beim Fußballverein Borussia Dortmund. Zum 100-jährigen Bestehen des 1909 gegründeten Klubs hat der 47-Jährige einen Chor für die neue Vereinshymne gecastet. Knapp 400 BVB-Anhänger haben sich dafür beworben, 41 Amateursänger wurden aufgenommen.
SZ: Herr Dickel, Ihnen ist bewusst, dass Dieter Bohlen oder Detlef D! Soost die Hymne in ihren jeweiligen Sendungen unwirsch ablehnen und den Sänger des Saales verweisen würden?
Dickel: Nein, das glaube ich nicht. Zu unserer neuen Hymne würde Bohlen eher sagen: „Das ist ein supergeiler Hit, emotional und getragen.” Wir dürften keine Schimpftiraden erwarten!
SZ: Sind Sie sich da sicher?
Dickel: Ganz sicher.
SZ: Welche stimmliche Sachverständnis bringen Sie eigentlich als Ex-Fußballprofi in Sachen Gesangsjuror mit?
Dickel: Na hören Sie mal, immerhin habe ich zusammen mit Karel Gott ein Lied aufgenommen (Dickel singt): „Und alle Freunde sehen aus wie Biene Maja/Schwarz-gelb wie die kleine Biene Maja”. Aber entschuldigen Sie meine Gesangsqualitäten, ich bin etwas aus der Übung. Das Lied haben wir schon vor zehn, zwölf Jahren aufgenommen.
SZ: Aber die Charts haben Sie damals nicht gestürmt?
Dickel: Nein, aber die CD hat sich 28 000-mal verkauft. Nicht ganz schlecht, oder? Heute wäre das ein Verkaufsschlager . . .
SZ: . . . ein Verkaufsschlager im wahren Sinne des Wortes. Droht eine Fortsetzung?
Dickel: Nee, die wird’s auch nicht geben. Ich habe dann doch gelernt, das jeder bei seinen Kernkompetenzen bleiben sollte. Ich habe die neue Hymne zwar auch einmal eingesungen, aber diese Version bleibt schön auf meinem Rechner.
SZ: Ist die Mannschaft auch zu hören auf der neuen Hymne?
Dickel: In den ersten Überlegungen war noch geplant, einen Chor aus BVB-Spielern zusammenzustellen. Aber dann sind wir in uns gegangen und haben die Idee verworfen, weil das Lied ja auch gut werden sollte.
SZ: Fußballstadien sind bekannt dafür, dass in ihnen gegrölt wird. War grölen auch bei Ihrem Fan-Chor-Casting eine Kernkompetenz?
Dickel: Nee, Gröler gibt es nur im Fußballstadion. Wir brauchten keine Gröler, sondern klare und kräftige Stimmen.
SZ: Gab es weitere Anforderungen?
Dickel: Na, dass wir keine Blauen, keine Schalker, im Chor haben wollen, ist ja wohl klar, oder?
SZ: Verständlich. Aber durften auch BVB-fremde Lieder angestimmt werden?
Dickel: Ja, klar, nur die Schalker Hymne oder das Lied der Bayern hätte keiner singen dürfen. Sonst wär’ ich zum Bohlen geworden. Aber ein junger Mann stellte sich hin und hat gesagt, ich singe jetzt die Hymne des Fußballklubs Madrid.
SZ: Brisant. Real Madrid hat den BVB im Rahmen des Festaktes zum 100. Geburtstages des BVB im August mit 5:0 aus dem eigenen Stadion geschossen.
Dickel: Ja, das stimmt, aber das spielt doch hier wirklich keine Rolle mehr. Kalter Kaffee. Jedenfalls hat der junge Mann losgelegt wie in der Oper (Dickel intoniert): „Maaaaaadriiidd.” Der hatte eine unglaubliche Stimme. Der ist jetzt dabei im Chor.
SZ: Hat jemand auch das Lied über Sie, „Wir singen Norbert, Norbert, Norbert Dickel, jeder kennt ihn, den Held von Berlin” angestimmt, um Ihr Herz zu erobern?
Dickel: Leider nein. Mit dem Lied zur Melodie von Flipper hätte man sich vielleicht schon ein Plätzchen im Chor sichern können. Aber im Ernst, ich bin doch nicht bestechlich. Das war eine ernsthafte Veranstaltung. Uns ging es nur um die Qualität. Es wurden schließlich auch gutaussehende Frauen abgelehnt.
Interview: Marco Maurer