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Eine Tote, zwei Opfer

Wie die „Bild“-Zeitung eine Studentin fälschlicherweise für tot erklärte

Hannah Wolfs Stimmung am Telefon kippt sekündlich. Im einen Moment lacht sie über das Geschehene. Im anderen ist sie sauer. So geht das seit Samstag, so geht das seit die Bild ihr Leben aufmischte. Es war zehn Uhr morgens, die Studentin, 26, ging ihrem Nebenjob in einem Bremer Weingeschäft nach. In ihrem Blog schildert sie diesen Morgen so: „In meiner kurzen Raucherpause schau ich auf mein Handy und fasse es nicht. Die Bild hat mich für tot erklärt. Ein Mord in Berlin. Dazu mein Foto. Teile meiner Biografie benutzt.“ Das Blatt berichtete an diesem Tag über einen Mord („Mann tötet Mitbewohnerin“) und druckte ein vermeintliches Foto des 21-jährigen Opfers, Hannah K.. Tatsächlich zeigte das Bild Hannah Wolf. Die Aufregung in Wolfs Freundeskreis war natürlich groß, ihre Mutter sorgte sich, einem Mitbewohner wurde kondoliert.

Wie die Bild dazu kam, ein Foto aus Hannah Wolfs Blog und Teile ihrer Biografie zu verwenden, ist ungeklärt. Am Montag wurde eine Richtigstellung gedruckt. Der Pressesprecher der Zeitung, Tobias Fröhlich, reagiert ausweichend, spricht davon, es werde „intensiv“ geprüft, wie der Fehler geschehen konnte. Sicher ist: in Wolfs Blog steht, dass sie wie das Opfer auch Hannah heißt und früher in Berlin gelebt hat. Wolf sagt, sie habe eine „Vermutung“ zur Verwechslung, wolle aber wegen der Persönlichkeitsrechte des Opfers dazu schweigen.

Das Boulevardblatt hat in Wolf indes einen trickreichen Widersacher gefunden, die Studentin der Neuen Künste antwortete auf ihre Art: mit einem offenen Brief an die Bild, den sie in ihrem Blog veröffentlichte. Dort spricht sie von „Rufmord“ und nennt die Sache „widerlich“. Der Eintrag verbreitete sich rasant im Netz, die Entrüstung ist groß. Wolf gibt seither Interview um Interview. Sie wolle darauf aufmerksam machen, dass „der Sachverhalt, Bilder von Mordopfern zu veröffentlichen, skandalisiert werden muss“, sagt sie. Das könne nun „exemplarisch geschehen.“ Denn es sei „egal ob das Foto die richtige Person zeigt oder nicht.“ Normalerweise könnten sich Angehörige nach einem Mord mit so etwas nicht auseinandersetzten, hätten weder Zeit noch Kraft dazu. Wolf will diese Leerstelle im System nun stellvertretend einnehmen.

Außerdem prüfe sie mit ihrer Anwältin eine Klage gegen das Blatt, sagt sie. Diese habe sich bisher nicht bei ihr entschuldigt. Der Bild-Sprecher sagt dagegen, es sei „schnellstmöglich ein Entschuldigungsschreiben“ verschickt worden. Vielleicht ja an die falsche Adresse? Marco Maurer

Das Interview mit Hannah Wolf auf Bayern 2 Zündfunk:

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