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Richard Wagner? Michael Jackson? Chilly Gonzales!

Der Kanadier am Piano begeistert im Prinzregententheater

Da sitzt Jason Charles Beck also nun in seinem Bademantel aus Seide und seinen grünen Hausschlappen vor seinem Klavier. Er, der sich „Chilly Gonzales – the musical Genius“ nennt. Er, ohne dessen Klavierparts Feists Musik ein elementarer Bestandteil fehlen würde. Er, der nette Exzentriker, der ein bisschen ist, wie der Onkel, den man nur an Weihnachten sieht und dem man all die Kuriosa glaubt, die er zum Besten gibt.

Im Münchner Prinzregententheater erzählt Gonzales etwa die Geschichte seines Songs „The Grudge“. Angeblich entstand es aus Groll auf einen Mitmenschen. Plötzlich sagt er, der Mensch dem dieser Song gewidmet ist, habe sich auf die Gästeliste geschlichen, sitze im Publikum. Spot an, eine Frau ist erleuchtet und Gonzales spielt ihr sein Lied. Eine solch dämonische Ader traut man ihm aber nicht zu – auch das ein schöner Unterhaltungstrick. Genau wie die Kompositionsstunden, die er erst Ute und dann Maxim aus dem Publikum erteilt. Gonzales Botschaft dabei: Musik ist einfach, Fehler gibt es nicht, verliert die Angst, „Niemand gehört G-Dur“ und: „Jedes Jahrzehnt bekommt den Rap, den es verdient.“

Die Frage vor dem Konzert war, was wird die Referenzmaschine Gonzales diesmal in seine Songs einflechten? Wie vor ein paar Jahren die Marseillaise vielleicht? Nein, aber Daft Punks Electro-Hymne genauso wie Beethovens „Für Elise“, Glenn Millers „In the Mood“ genauso wie Ol‘ Dirty Bastards-Reime und das Kinderlied vom Bruder Jakob.

Damit gelingt es Chilly Gonzales seinem Album „Solo Piano II“ live jegliche Fadheit auszutreiben – ein Charakterzug das der diesjährige Nachfolger von Gonzales erster Solo-Piano-Platte (2004) leider manchmal in sich trägt.

Gegen Ende des Konzerts dürfen sich die Zuschauer natürlich ein Lied wünschen. Sie rufen „Arnold Schönberg“ genauso wie „Nirvana“, „Richard Wagner“ und „Michael Jackson“. Die alte und schon lange hohle Unterscheidung zwischen E- und U-Musik macht nirgendwo weniger Sinn als bei Chilly Gonzales. Und was macht er? Er wählt dann – natürlich – ein eigenes Lied. Wer ist schon Richard Wagner, wer überhaupt Michael Jackson? „I am Chilly Gonzales.“ Schenkt dem Mann eine TV-Show! Marco Maurer