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Und wären wir Helden, für einen Tag!

Ein Film nähert sich dem Künstler David Bowie – sexy, kryptisch und mit einer Frau in der Hauptrolle. Zu sehen gibt es „Dave“ im Internet, dem oft besseren Fernsehprogramm dieser Tage

Es ist ein Film, zu dem man tanzen möchte. Ein Film, dessen Tonspur eine wunderbar abgemischte David-Bowie-Disco ist. Liefe der Film im regulären Programm deutscher Sender, würde man den Mut der Programmverantwortlichen preisen; er ist aber nur im Internet verfügbar, dem oft besseren Fernsehprogramm dieser Tage.

Das geht einem gleich zu Beginn des Films Dave durch den Kopf, als Bowies Song „Fame“ erklingt. Man hört dieses Disco-Fingerschnippen, fühlt diesen Beat, diesen Sex und glaubt, den jungen, stets androgynen Bowie wie einen Katze – was bei Bowie ja besser passt als Kater – über die Filmbühne schleichen zu sehen.

Einen solchen Moment hatte man auch vor ein paar Jahren, als der Film Control über das Leben des britischen Sängers von Joy Division, Ian Curtis, lief. Aber da sah man den Schauspieler Sam Riley und nicht Curtis selbst. Doch der Bowie in Dave von Stephen and David Dewaele (bekannt unter ihren Musikernamen Soulwax oder 2manydjs ) ist im strengen Sinne gar kein Schauspieler. Bowie ist ein belgisches Model – eine Frau namens Hannelore Knuts.

Bereits Knuts erste Schritte in Dave sind eine Verheißung, ihr Schauspiel ist wie der ganze Film der Dewaele-Brüder eine Hommage an Bowie, von dem ja die Songzeile „Not sure if you’re a boy or a girl“ („Rebel, Rebel“) stammt. Knuts verleiht diesem brillanten Film ihren eigenen femininen Geist und damit dem fiktiven Film-Bowie ziemlich viel David Bowie. Es ist eine Art dokumentarischer Kunstfilm, oft kryptisch. Und: Es wird kein Wort gesprochen.

Nur ein paar Untertitel ploppen zu gegebener Zeit auf, und sehr wichtig war den Filmemachern augenscheinlich eine coole Ästhetik, die irgendwo zwischen Bowies Dandytum, einem Pop-Kammerspiel, Zurück-in-die-Zukunft-Zitaten und dem ewigen Retro-Moment kreist. Die Schlüsselstelle des Films ist eigentlich die, als der gegenwärtige Bowie einem seiner früheren Egos eine Nachricht zukommen lassen will, auf der steht: „I’m happy/ hope you’re happy too.“

Der einstündige Film ist dabei so aufgebaut: Knuts als Bowie bereist mittels einer Zeitmaschine Phasen seiner Künstlerkarriere nochmals. Bowie, ein Zeitreisender, das kennt man auch aus der Realität, er war schließlich stets Avantgarde. Immer wieder taucht so im Film ein Flur auf, von dem Türen weg führen, darauf Zahlen 64, 75, 82 oder etwa 85 – wichtige Stationen in Bowies Leben. Auf dieser Reise sammelt Bowie Schlüssel, die ihn kurz vor Ende des Films eine kleine Kiste öffnen lassen.

Zuvor trifft der jetzige Bowie nicht nur auf seine früheren Ichs, den Thin White Duke, Major Tom, Aladdin Sane oder Ziggy Stardust, sondern auch auf einstige Weggefährten wie etwa den jungen Iggy Pop. Und wenig später Freddy Mercury. Dabei die Verwunderung in Hannelore Knuts Augen zu beobachten – allein deshalb ist dieser Film das Anschauen wert.

Heutzutage nennt sich Bowie angeblich wieder bei seinem Geburtsnamen David Robert Haywood Jones und hilft seiner Tochter bei den Hausaufgaben. Sein bislang letztes Album stammt aus dem Jahr 2003, ob je wieder ein neues oder eine Tour folgen werden, ist unklar. Der Meister schweigt über diese Dinge. Nicht geschwiegen haben die Macher der offiziellen Bowie-Seite, sie haben Dave , den Internet-Film, zur Londoner Premiere Ende November lobend erwähnt.

Die belgischen Künstler Soulwax, von denen Dave stammt, loten seit jeher die Möglichkeiten des Pop neu aus. Im Jahr 2002 begründeten sie mit ihrem von der New York Times damals zum besten Album des Jahres ausgezeichneten „As Heard on Radio Soulwax Pt. 2“ die Mash-up-Kultur. Die gibt es bis heute noch in allerlei Clubs, sie ist aber mittlerweile auch etwas fade geworden. Ihre Kunst jedenfalls gibt es nicht auf Platten, sondern im Netz.

Ein Jahrzehnt später addieren sie dieser Kunst nun eine filmische Ebene hinzu. Und dass es nun gerade Bowie ist, liegt nahe: Er war Glam-Rock, New Wave, Disco, ein ganzes Pop-Universum und ein stetiger Grenzgänger: „Es gibt viele Legenden in der Musikindustrie, aber für uns gibt es keinen größeren als den Mighty Dave “, schreiben Soulwax auf ihrer Seite im Netz.

Die Rückkehr Bowies wird es in diesem Jahr wohl noch immer nicht geben; aber im Londoner Victoria and Albert Museum startet im März eine Ausstellung namens „David Bowie is“ mit Kostümen und Musikvideos . Ob der Soulwax-Film dabei ist, bleibt offen; aber er hätte es verdient.

Am Ende der filmischen Hommage geht Bowie durch eine letzte Tür, über ihr steht geschrieben: Eternity Exit , der Ausgang in Richtung Ewigkeit. Wohin sonst? Marco Maurer

http://vimeo.com/53207758