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„Musik reinigt meine Seele“

Seit ihrem Debütalbum vor acht Jahren tourte Katie Melua wie eine Getriebene um die Welt. Bisweilen spielte die Sängerin jeden Tag auf einem anderen Kontinent – bis sie zusammenbrach. Ein Gespräch über die Tiefpunkte eines Erfolgsmenschen

Auf ihrem aktuellen Album „Secret Symphony“ singt Katie Melua, 27, von gesellschaftlichen Hürden, zerbrochenen Beziehungen und anderen Problemen im Leben. Es ist nicht die derzeit im Popgeschäft moderne melancholische Note, die sie zu dem Album beeinflusst hat – es ist ihr eigenes Leben. Vor knapp zwei Jahren hat sich die erfolgreiche Sängerin, die bislang zwölf Millionen Platten verkauft hat, nach einem Burn-out aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Ein Gespräch mit der georgisch-britischen Musikerin über dunkle Episoden im Leben, Freundschaften und Twitter.

Können Sie uns ein Wort nennen, das die zurückliegenden zwei Jahre in Ihrem Leben am treffendsten beschreibt?
Ein Wort, das das Jahr 2010 beschreibt, wäre „evolutionär“, es gab da viele Entwicklungen und Veränderungen in meinem Leben. Für das folgende Jahr müsste dann aber ein ganzer Satz herhalten: Es war ein Jahr, das mir zeigte, ob ich es wieder zurück auf die Bühne schaffe und wieder vor einem Publikum singen kann oder nicht – etwas, das ich zuvor als ganz selbstverständlich wahrgenommen hatte.

Auf Ihrem neuen Album ist auch das Lied „Nobody knows you when you’re down and out“. Es geht darum, wie es ist, sich allein und unverstanden zu fühlen. Ist das Lied auch eine Verarbeitung Ihrer Burn-out- und Depressionsphase, die Sie im Jahr 2010 hatten?
Nein, nicht unbedingt. Ich mag Blues einfach. Und ich glaube, dieses Gefühl, allein zu sein, kennt jeder. Aber ein Song auf dem Album hat schon mit dieser traurigen Phase, meinem Burn-out, zu tun: „Forgetting all my troubles“.

Das ist der einzige Song auf Ihrem Album, den Sie selber geschrieben haben. Weil er Ihnen so am Herzen liegt?
Ja, ich hab ihn vergangenes Jahr geschrieben. Es ist zwar auch ein Song über die Liebe, aber vor allem zeigt er die Schwierigkeiten, durch die ich gegangen bin. Aber es ist ein optimistischer Blick auf die ganze Sache, weil ich glücklich bin, mich wieder erholt zu haben, wieder zu arbeiten, zu touren, Musik zu machen.

Warum teilen Sie diesen privaten Tiefpunkt mit Ihrem Publikum?
Das ist nicht der Grund für den Song, daran habe ich nie gedacht. Ich mache das für mich selbst. Der Song hat eher einen egoistischen Hintergrund: Musik bedeutete für mich immer eine Art Heilung. Musik reinigt meine Seele.

Sie dient Ihnen als Katharsis, wie manch andere Kunstwerke schaffen, zu schreiben oder zu trinken beginnen?
Ja, so ist es – nur mir half Gott sei Dank meine Musik, sich den Dingen zu entziehen.

Aber warum haben Sie sich dazu entschlossen, über Ihren Burn-out zu erzählen? Andere in Ihrer Situation haben versucht, das geheim zu halten.
Nun, ich musste einfach erklären, warum ich so lange von der Bildfläche verschwunden war und eine Tour abgesagt habe. Ich fand, die Leute sollten das wissen, sonst hätte ich mich schlecht gefühlt.

Und wie wussten Sie, dass da irgendetwas gerade in Ihrem Leben schiefläuft?
Ich merkte, dass ich wie vor einer Mauer stand. Ich habe nicht mehr funktioniert, wie ich wollte. Ich war ja nicht einmal in der Lage zu reden oder irgendetwas zu tun. Das bemerkte natürlich auch mein Umfeld, und dann musste ich ins Krankenhaus. Für meine Freunde und Familie war das ein Schock. Aber ich hatte keine Wahl.

Was hat Ihnen geholfen, diese Zeit zu überstehen?
Ich habe sechs Monate lang nicht gearbeitet. Das habe ich kurz nach dem Krankenhausaufenthalt mit meinem Manager und meiner Familie besprochen. Ich glaube, einer der Gründe für den Burn-out war nämlich auch, dass ich meine Familie kaum gesehen habe, nonstop unterwegs, also sieben Jahre am Stück auf Tour war. Und dadurch konnte ich mich über meine Probleme und mein Leben mit kaum jemandem unterhalten.

Hat es auch damit zu tun, dass man als Popstar oft alleine ist?
Ja, man zieht von einem Hotelzimmer zum anderen Hotelzimmer, von einer Stadt zur nächsten. Da fühlt man sich häufig alleine.
Aber ich bin auch ein wenig vom Glück gesegnet: Die Freunde, die ich heute noch habe, kenne ich seit meiner Schulzeit – eine kleine beschauliche Gruppe von fantastischen Freunden. Und neue Freunde zu gewinnen, kann manchmal schwer sein. Aber ich glaube nicht, dass es schwieriger für jemanden wie mich ist, neue Freunde hinzuzugewinnen, als für jeden anderen. Wenn man schon von vornherein Angst hat, Menschen, die man kennenlernt, zu vertrauen, kann man sich selber Angst einjagen.

Es gibt nicht wenige Menschen, die sich erstmals über soziale Netzwerke wie Facebook begegnen. Kann man Sie auch übers Netz kennenlernen?
Ich bin nicht bei Facebook, aber ich habe gerade zu twittern begonnen – und ich finde das toll. Es ist eine großartige Sache, mit so vielen verschiedenen Menschen zu kommunizieren. Twitter hat was von Kaffeehausgesprächen. Und es schafft dabei Nähe, wahrt aber auch die Distanz.

Ist es möglich, Ihnen über Twitter näherzukommen, Sie direkt anzusprechen?
Na ja, ich glaube, Twitter ist kein Kanal, um mich kennenzulernen, eher um mir Fragen zu stellen oder sich Songs von mir zu wünschen. Alle Nachrichten kommen aber tatsächlich direkt bei mir an.

Sie sind seit Kurzem wieder auf Tour. Haben Sie nach Ihrer Erkrankung etwas in den Abläufen geändert?
Ich hatte ja nie eine lange Krankheitsgeschichte der Depression, es war bisher nur dieses eine Mal. Und bisher kam es nicht wieder. Ich hoffe, dass es dabei bleibt. Anscheinend hatte ich einen guten Arzt, eine richtige Medikation, die ist übrigens seit gut vier Monaten vorbei. Aber natürlich haben wir meinen gesamten Tour- und Tagesablauf abgeändert. Die großen Reisen, den großen Jetlag in kurzer Zeit wird es nicht mehr geben, also heute Australien, morgen USA, übermorgen Europa. Das ist vorbei. Ich habe gelernt.

Die anstehende Hochzeit mit dem ehemaligen britischen Profi-Rennfahrer James Toseland ist wohl auch ein gutes Rezept gegen schlechte Zeiten, oder?
Ja, er lässt mich schon glücklich in die Zukunft schauen. Genauso wie eine kleine Familie, die ich gerne bald haben möchte.

Interview: Marco Maurer