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Er war immer da, wenn man ihn brauchte. Er gab Mut, wenn man mutlos war. Er war wie ein Freund

Ist Morrissey das mit seiner neuen Platte noch immer?

Es ist kompliziert geworden mit einem Freund, mit Morrissey, dem ehemaligen The-Smiths-Sänger. Jahrzehntelang war er da gewesen, irgendwo hatte man ihn aufgelesen, hatte wahrscheinlich leicht einen sitzen, grämte sich wegen der Liebe, brauchte Trost und Mut und wurde umarmt von seinen Songs. Vielleicht hieß es „Life is a pigsty“, vielleicht „You have killed me“, vielleicht „Let me kiss you“. Das sind Zeilen aus den Jahren 2004 bis 2006, Morrisseys Spätwerk, seinem Comeback. Da sang einer, der einen verstand. Ein Outsider, wie man selbst manchmal. Und nun, 2017? Morrissey gilt neuerdings als Befürworter des Brexits, verbreitet in Interviews Sätze, die wir von Trump kennen, glaubt an Medienverschwörungen. Auf den deutschen Kontext übertragen fragt man sich: Ist Morrissey eine Schnittmenge aus Linkspartei und AfD geworden? Das sind die Voraussetzungen, unter denen man „Low in High School“, sein elftes Solo-Studioalbum hört. Da ist zwar noch immer seine unnachahmlich schwermütige Stimme, sein Hang zu Oscar Wilde, die große Melancholie, das Pathos. Aber da ist eben neuerdings auch: der Zweifel. Morrissey unterfüttert ihn noch, singt er doch, dass er empfehle, keine Nachrichten mehr zu schauen, weil sie uns nur Angst machen sollen, uns das Gefühl geben, den Verstand verloren zu haben, klein und allein zu sein. Ist das so, Morrissey? Darauf müssen wir leider mit einer deiner Songzeilen antworten: „Ah, we’ve lost our boy.“