Logo - Marco Maurer Journalist


Es ist nicht vorbei

Als Mitch McDeere musste sich Tom Cruise vor zehn Jahren vor der Mafia fürchten. Nun läuft John Grishams "Die Firma" als Fernsehserie - kratzt aber zu sehr an der Oberfläche.

Mitch McDeere, Junganwalt einer wichtigen Kanzlei in Memphis, besucht zwei Mafiabosse in ihrem Zuhause. Er spricht, die Moroltos hören zu. Er erklärt ihnen, dass seine Kanzlei über Jahre überhöhte Rechnungen ausstellte – und dass sie, die Mafiapaten aus Chicago, Opfer dieser Gaunerei sind.
Worüber der Harvard-Absolvent nicht spricht, ist das eigentliche Verhältnis der Kanzlei zu den Moroltos. Er spricht nicht darüber, dass die Kanzlei nur existiert, um das Geld der Mafiafamilie zu waschen. Er spricht auch nicht über die Morde und nicht darüber, dass er mit dem FBI kooperiert, obwohl das die Moroltos längst wissen, weswegen sie McDeere auf ihre Abschussliste gesetzt haben.Jetzt will McDeere einen Deal aushandeln. Er schweigt, die Moroltos bleiben unbelangt, und er und seine Frau bleiben am Leben. Das ist McDeeres Plan und die Moroltos stimmen grimmig zu.
Diese Filmszene stammt aus dem Jahr 1993 und dürfte nicht nur Kinokennern bekannt vorkommen. McDeere ist ein Charakter aus der Feder John Grishams und er wurde zwei Jahre nach Veröffentlichung des ersten Grisham-Romans, Die Firma , von Tom Cruise gespielt. Einer der letzten Sätze des noch jungen Tom Cruise als McDeere lautete: „Glauben Sie, ich werde jemals einmal den Zündschlüssel umdrehen können ohne zu schwitzen?“
Genau zehn Jahre nach diesen Worten setzt nun die US-amerikanische Justiz-Serie The Firm ein – und McDeere, gespielt vom blassen Josh Lucas, hat noch immer diese Angst vor den Moroltos. Die Fragen, die sich ihm und den Zuschauern stellen: Halten die Mafiapaten Wort? Aber auch: Wie hat sich das Leben der McDeeres inzwischen verändert?
Mitch McDeere und seine Frau Abby leben nun mit ihrer zehnjährigen Tochter Claire in Washington D.C. Dort unterhält McDeere eine eigenständige (und ziemlich mies laufende) Kanzlei, in der er zusammen mit seiner Sekretärin Tammy (exzellent besetzt mit Juliette Lewis) und seinem Bruder Ray an diversen Kriminalfällen, zumeist Morden, sitzt. Nach Washington führte McDeere das Zeugenschutzprogramm der US-Behörden. Dass er trotzdem denselben Namen trägt wie zuvor, ist wohl nur so zu erklären, dass der Markenkern der Serie erhalten bleiben musste: Mitch McDeere selbst. Der Name gehört zu den Neunzigern wie Forrest Gump oder Hannibal Lecter. Allein das Buch Grishams hat sich in Deutschland millionenfach verkauft; der Stern schrieb damals, Grishams Geschichte sei „der perfekte Thriller“.
Dass der Film fortgesetzt wird, ist seit Jahren bekannt, und dass daraus nun eine Serie wurde, liegt im Trend der Zeit. Zwar wurden bereits früher aus Kinofilmen Serien gezimmert, etwa aus Robert Altmans Klassiker M*A*S*H . Doch 2013 war das Jahr der TV-Serien, die auf erfolgreichen Kinofilmen basieren. Das Schweigen der Lämmer erfuhr mit Hannibal eine Fortsetzung, Hitchcocks Psycho wurde zu Bates‘ Motel, und im Februar startet hierzulande Tim Burtons Sleepy Hollow als Serie. Zudem denken US-Produzenten laut über Serien ehemaliger Kinofilme nach, über 12 Monkeys , Reality Bites und sogar, ja, Rambo .
Serien sind heutzutage oft die beliebteren Gefäße für die großen Geschichten. The Firm spielt mit Soundeffekten dieser Zeit anstelle von gediegenen Pianoklängen, Cliffhanger gibt es genauso wie Retrospektiven und komplexe Dramaturgie-Arrangements. Allerdings wurde weniger Wert auf geschliffene Dialoge gelegt. McDeere muss zusätzlich zum vertikalen Handlungsstrang – die Moroltos – einen Fall pro Serie aufarbeiten. Grisham selbst gefiel das Konzept, er ist unter den Produzenten der Serie zu finden.
In den USA hat NBC The Firm nach der ersten Staffel und 22 Episoden abgesetzt, was damit zusammenhängen dürfte, dass die Serie zu sehr an der Oberfläche kratzt. Die Charaktere sind zu platt, und die Geschichte wurde auserzählt – in den Neunzigern. Vielleicht besser mal wieder das Original ansehen.
MARCO MAURER