Logo - Marco Maurer Journalist


Los Angeles, New York, Düsseldorf

Vor sechs Jahren löste sich das LCD Soundsystem auf, jetzt ist es zurück und beweist: Auch Langeweile kann reinhauen

Die Platte beginnt wie auf einer elektronischen Baustelle, hämmernd, klopfend, dann setzt der Moroder-Sequencer des Synthesizers ein, man wähnt sich plötzlich auf einem dieser Highways in Los Angeles, die Sonne knallt, die Zugluft kühlt, James Murphy erzählt mehr, als dass er singt: „Oh Baby“; plötzlich Schnitt: Highway gone, ein Mann, eine Frau in zerwühlten, weichen Bettdecken, noch immer die Sonne L. A.s, das Paar im abendlichen Gegenlicht ein Song, ein Wort dafür: LOVE.
James Murphy ist zurück und schenkt uns auf seinem Album „American Dream“ erst mal einen Song wie L. A.: knisternd, flirrend. Murphy ist der Kopf hinter dem Ensemble LCD Soundsystem, das sich vor sechs Jahren mit einem letzten Konzert im Madison Square Garden auflöste. Doch Murphy machte weiter, produzierte Songs und Alben für die Gorillaz, Outkast, Arcade Fire oder die Chemical Brothers, arbeitete mit seiner Plattenfirma einen Kanon heraus, verhalf Bands wie Hot Chip zu Weltruhm, war DJ auf New Yorks heißesten Partys und spielte Schlagzeug auf David Bowies letztem Album. Zuvor hatte es der inzwischen 47-Jährige abgelehnt, dessen letzte Platte zu produzieren. Kann man mal machen.
Song zwei wirkt wie ein Anflug von Miami Beach auf die Bahamas, Hot-Chip-Glocken im Gepäck. Song drei: klar, Detroit, und in der Stimme Morrisseys Manchester-Melancholie. Song vier: New-York-Wave. Fünf: L. A.-Darkroom. Sechs: New York, Queer-Club. Sieben: die erste LCDSingle nach dem Comeback, eine kalifornische Coachella-Hymne inklusive Berlin-Bowie-Referenz. Acht, der Titeltrack: „American Dream“ , wieder L. A.-Highway, wieder The-Smiths-Schwermut. Neun: Bronx-Funk-Electro-Tendenzen. Zehn und Ende: eher A3 in Richtung Düsseldorf.
Die Platte hat gewaltige Songs, überzeugt aber auch in Gänze mit elegischen Flächen, dem Mal-Gucken, dem Mäandern, dieser großartigen US-Utopie und den bis zu zwölf Minuten langen Songs. In einem heißt es: „Find the place where you can be boring.“ Wann gibt es das in Zeiten formatierter Songs und des Jagens nach dem immer nächsten Höhepunkt denn noch? Wer hat diese Freiheit? Wer nimmt sie sich? James Murphy.