Süddeutsche Zeitung
Mentor Mintal
„Puh!“, Marek Mintal muss lange nachdenken, dann folgt sogar ein „Hmm!?“. Mintal will etwas Zeit gewinnen, ähnlich wie auf dem Platz, wenn es gilt, eine Führung bis zum Abpfiff zu verteidigen. Nur verschleppt er diesmal nicht den Ball im Mittelfeld des 1. FC Nürnberg II, sondern zögert, weil er sich sammeln und eine Antwort entwickeln muss. Denn bei der Frage, was er, das 35 Jahre alte Tor-Phantom, von der blutjungen Generation im Regionalliga-Kader des Clubs lernen kann, ist er hörbar überrascht.
Seine neue Aufgabe ist es ja, dass die Spieler von ihm, dem ehemaligen Torschützenkönig der Bundesliga, etwas lernen. Dieses neue Jobprofil ist ziemlich umfangreich; Mintal soll „Strömungen erkennen, Werte ausbilden, Disziplin vorleben, ein Vorbild sein“, wie sein Trainer Michael Wiesinger den Aufgabenkatalog beschreibt. Kurz: Mintal soll nicht wie bisher üblich lediglich Tore schießen, sondern vor allem eines sein: Mentor.
Viele der Nürnberger Nachwuchskicker – 17, 18, 19 Jahre alt – kommen auf Mintal zu und suchen Hilfe, haben Fragen wie: Was kann ich besser machen? Wie ist das bei den Profis? Was fehlt mir noch? Vielleicht auch: Wie gut bin ich wirklich?
„Jeder von ihnen träumt von der ersten Liga“, sagt Mintal. Er kann ihnen oft keine konkreten Antworten geben, doch er kann einerseits über seine Vergangenheit als Profi reden. Und andererseits über das, was einen Profi ausmacht im täglichen Miteinander und auf dem Fußballplatz. Das dies manchmal nötig ist, hat Wiesinger Mintal im Sommer klargemacht. Wiesinger umschreibt das so: „Ich habe Marek für die Liga sensibilisiert.“
Wiesinger muss es wissen, auch er war nach seinen Profistationen in München (FC Bayern und 1860), Nürnberg und Burghausen noch ein Jahr lang für die SpVgg Weiden in der Bayernliga aktiv. Er erzählte Mintal davon, dass es Tage gebe, bei denen „etwas los ist“, Dinge passieren, die im Regelbetrieb Profifußball eher nicht auf der Tagesordnung stehen. Wiesinger sagt: „Spieler, die frisch aus der Jugend kommen, muss man an die Profi-Bedingungen der U23 heranführen.“ Es geht um Kleinigkeiten, Wiesinger nennt etwa den Faktor „Pünktlichkeit“ oder dass junge Spieler – träumen sie von der ersten Mannschaft – ein wenig ihr Ego zurückschrauben und „Teamfähigkeit beweisen“ müssen. Mintal ist dafür der perfekte Lehrmeister, Wiesinger sagt über ihn: „Sobald das Training los geht, ist Marek auf dem Platz.“ Mintal selbst sagt, seine jungen Kollegen stecken eben in einem Lernprozess. Aber auch „Bundesligaprofis sind gelegentlich nicht pünktlich.“ Das heißt nun aber nicht, dass die Reserve des Clubs ein unpünktlicher, egozentrischer Haufen ist. Ausreißer wie diese gehören eben zu einem ganz normalen Reifeprozess dazu. Dass momentan kein schlechter Jahrgang heranwächst, belegt ein Blick auf die Tabelle. Nürnberg gehört konstant zur Ligaspitze.
Zudem machte Wiesinger vor Saisonbeginn Mintal darauf aufmerksam, dass er nicht nur im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen würde (Wiesinger sagt heute dazu: „Bei Auswärtsspielen werden wir nicht als U23 des Club angekündigt, sondern als ,Marek Mintal und die U23‘.“), sondern auch oftmals im Fokus des Spiels einer manchmal für einen Profi ungewohnt rauen Liga. Mintal sagt heute dazu: Zwischen Profiligen und Regionalliga herrsche ein „sehr großer Unterschied“. Einerseits kommt es nicht selten vor, dass er in Manndeckung genommen wird. Damit komme er aber gut klar. Neu für ihn aber ist die Härte, mit der agiert wird. „Es gibt Phasen, in denen das richtig nervt!“ Mintal erzählt dann von Gegnern, „die wissen, dass sie den Schritt nach oben nicht mehr schaffen werden“, und daher übermotiviert sind, „viel reden, provozieren und beleidigen“.
Mintal spielt wie zumeist in seiner Karriere als hängende Spitze oder vermehrt im Zentrum des Spiels, dort, wo der Ton am rauesten auf dem Platz ist, Spiele entschieden werden. Sein Trainer sagt, es sei trotz dieser Faktoren bewundernswert, „wie ruhig er agiert und dabei Räume aufstößt.“ Zudem schätze er Mintals Flexibilität, dass er ihn auf mehreren Positionen einsetzen könne, wenn er Perspektivspieler an dessen gewohnter Position einsetzen möchte.
Sieben Treffer hat Mintal, dessen Vertrag bis 2015 läuft, bisher erzielt. Die Quote ist – das weiß er selbst – ausbaufähig, Mentorenjob hin oder her.
Bald startet sein A-Trainerlehrgang in Bratislava, den er nebenbei die nächsten zwei Jahre abschließen möchte. Das ist mit dem Verein abgesprochen. Nach der Saison setzt man sich dann über die nächsten Jahre zusammen. Dann wird man wohl auch über einen Job als Trainer im Nachwuchsbereich sprechen werden.
Diese junge Generation, das fiel ihm nach einer Bedenkzeit noch ein, sei übrigens „befreiter, denkt weniger nach“. Es gehe manchmal bei denen „rechts rein, links raus“. Lob und Kritik zugleich – so sprechen Mentoren. Marco Maurer