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Nachts auf der Autobahn

Die schwermütige Musik von DeVotchKa aus Denver sorgt für viel Melancholie

Ein kleines Kino spielt sich im Kopf ab. Am Nacken heben sich die Haare, auf den Oberarmen bilden sich kleine Berge, eine Träne dringt durch das geschlossene Lid, die Musik ist zum Anlehnen. Nick Urata, der Sänger von DeVotchKa, der Band aus Denver, intoniert gerade „How It Ends“ aus dem 2006er-Soundtrack des Oscar-prämierten Films „Little Miss Sunshine“. Es ist ein müde vor sich hin schwebendes Lied, bei dem man sich fragt, ob es den Tod zum Thema hat oder das Ende einer Liebe. Auch nach dem Konzert im 59 to 1 ist man nicht schlauer. Es ist dieser schwermütige Song – sein Klavierspiel, seine weinerlichen Geigen, die versunkene Stimme Uratas –, der aus einem gewöhnlichen einen besonderen Auftritt macht.

Noch zuvor wunderte sich das Publikum eher über die Häufigkeit der Instrumentenwechsel der fünf Musiker: Die Kontrabassistin wird zur Tubistin, zur Querflötistin, der Pianist zum Akkordeonspieler, zum Violinisten, der Percussionist zum Ukulele- und Bouzoukispieler, der Schlagzeuger zum Trompeter, der Sänger und Gitarrist zum Banjo-Spieler und Thereministen. Würde man das Joanna-Newsom-mäßige „ich-tu-mal-so-als-wäre-meine-Geige-eine-Harfe-Spiel“ sowie das inbrünstige Pfeifen Uratas noch mit berechnen, käme man auf 21 Instrumente. Die erzeugen in ihrem Zusammenspiel zwar eine sphärische Klangwelt, changieren zwischen osteuropäischer Musik und Mariachi, zwischen Klezmer, Folk, Gypsy-Punk und Indie-Rock, greifen aber letztlich doch nicht ganz.

Mit einem Song aber kam dann die Rasanz, der Film und der Sepia-Effekt über den Abend, der bei DeVotchKa ähnliches auslöst wie ein altes Foto: Melancholie. Dennoch bleibt trotz 30 weiterer großartiger Minuten die Ungewissheit. Vielleicht ist DeVotchKa ja doch eher eine Band für die Autobahn. Nachts, wenn es regnet und rauscht. Marco Maurer