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Rumba für die Kommissare

In dem neuen Berliner „Tatort” wird die hässliche Seite der Gesundheitsindustrie gezeigt

Der Tatort Blinder Glaube (Buch: Andreas Pflüger) beginnt ganz stilecht, über den Dächern von Berlin. Kommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) blickt frühmorgens nach unten auf den müden Verkehr. Stark, im schicken grauen Kurzmantel, ist lediglich von hinten zu sehen, während die Spitzen des Fernsehturms und des Roten Rathauses in Berlin die Kulisse bilden. Die Szene erinnert an Caspar David Friedrichs Bild „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, der seinen Spaziergänger im Gehrock übers Elbsandsteingebirge blicken lässt und damit das Scheitern des Menschen in einer feindlichen Natur thematisiert.

Doch dann klingelt das Telefon. Kollege Ritter (Dominic Raacke) sucht Stark und findet diesen auf dem Dach. Es gibt das zehnte Dienstjubiläum zu feiern; kurz darauf landet ein Champagnerkorken in Starks Auge. Das Scheitern beginnt früh. Und es tut weh.

Der Plot ist schnell erzählt: Die Chefärztin einer Berliner Augenklinik wird tot in einem Kofferraum gefunden. Stark und Ritter ermitteln bei der Cornea AG, die einen Chip entwickelte, der Blinden angeblich die Sehfähigkeit zurückgibt. So einen Chip hätte die Chefärztin einer Patientin einsetzen sollen. Dazu kommt es nicht mehr. Ein Mordmotiv hätten viele: der eifersüchtige Ehemann, der heimliche Geliebte oder der Chef der Corneo AG. In diesem Beziehungsgewirr ist die Telenovela nicht mehr weit.

Immer wieder gibt es außerdem Szenen, die nicht an Tatort, sondern an Kommissar Rex erinnern, allerdings ohne Hund, dafür mit fliegender Wurstsemmel. Das Kommissar-Rex-Prinzip ist im Gegensatz zum Tatort-Prinzip einfach erklärt: Man lächelt dümmlichen Polizisten und schwitzenden Tätern zu, sieht billige Intrigen, weiß das vorher und freut sich.

Humor im Tatort sollte anders funktionieren, charmanter, subtiler. Bei Blinder Glaube gelingt das auch – genau einmal: Wenn Raake auf dem Kommissariat Rumba tanzt mit Stark und diesen fragt, ob es früher im Osten auch Rumba gegeben habe. „Kubanische Gesellschaftstänze gehörten zur ideologischen Grundausbildung”, lautet die Antwort.

Optisch ist ein Tatort nicht jedesmal als öffentlich-rechtliche Veranstaltung zu erkennen, inhaltlich meist schon noch. So geht es bei Blinder Glaube – politisch sehr korrekt – um das Spiel mit der Hoffnung kranker Menschen und um die Profitgier, die die Gesundheitsindustrie daraus entwickelt. Anspruch also formal erfüllt, mehr hätte es auch in diesem Berliner Tatort schon sein dürfen. Marco Maurer