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Die Unterwelt behält ihre Gäste

Ein sehenswerter Saarbrücker „Tatort” führt Kommissar Kappl ins Bergwerk und zu den Klassikern des Detektivromans

Die englische Krimiautorin Agatha Christie wusste, dass man für einen spannenden Krimi nur wenig braucht: ein prominentes Mordopfer, eine ausgefallene Tatwaffe, einen schrulligen Detektiv, eine Mordgesellschaft und einen außergewöhnlichen Tatort. Deshalb fanden Morde bei Agatha Christie gerne im Pfarrhaus statt, in Villen älterer Ladys oder im Abteil eines berühmten Luxuszuges.

In dem Saarbrücker Tatort Das schwarze Grab (Autor: Thomas Kirchner) wurden Christies Elemente nur ein wenig modifiziert: Das Opfer ist keine englische Filmdiva, sondern ein saarländischer Staatssekretär, die Tatwaffe kein Kerzenleuchter, sondern eine Spritze und der Ermittler kein belgischer Detektiv mit dem Namen Hercule Poirot, sondern Kommissar Franz Kappl (Maximilian Brückner) aus Bayern. Die ehrenwerte Gesellschaft besteht nicht aus britischem Adel, sondern aus saarländischen Bergleuten.

Unten in den Tiefen des Karlsbergwerks ermittelt Kommissar Kappl in einem alten Mordfall. In der Grube sind nebenbei auch Journalisten und Politiker anwesend, denn die Zeche wird geschlossen: Man fördert einen symbolischen letzten Wagen Kohle, es gibt kalte Häppchen und ein Streichtrio musiziert zum Abschied. Dann knallt es.

Raufen, schwitzen, lügen

Das Licht geht aus, der Schacht fällt zu, die Gesellschaft sitzt fest. Als das Licht wieder angeht, ist der Staatssekretär tot. „Wir haben einen Mörder unter uns”, sagt jemand – und wie bei Christies Mord im Orient-Express kann keiner den Tatort verlassen, weder die Gäste, noch der Kommissar oder der Mörder.

Daraus entwickelt sich ein auch ästhetisch exzellenter Krimi, denn hier steht einmal nicht das Warum der Tat im Zentrum, sondern das sogenannte Whodunit, das „Wer hat es getan?”, ein klassisches Element im Detektivroman. Natürlich ist Kappl die zentrale Figur des Schauspiels, aber auch hier gibt es einen zweiten Mann: Bei Poirot heißt der Assistent Hastings, bei Sherlock Holmes Watson, im Saarland ist es „der Deininger” (Gregor Weber).

Deininger ermittelt an der Oberfläche, steht aber telefonisch in Kontakt und leistet die Kleinarbeit für seinen Kommissar, der 1200 Meter tiefer Denkarbeit verrichtet, beobachtet und verhört. Es ist ein psychologisches Spiel in einer Extremsituation und die Psychologie der Figuren ist gut gewählt. Es wird gerauft, geschwitzt, geschrien. Politiker, Journalisten und Bergarbeiter legen falsche Fährten und Kappl muss viel forensisches Gespür erweisen, aber in dieser Unterwelt wird die Luft bald für alle dünn. MARCO MAURER