Süddeutsche Zeitung
So klingt die Gegenwart
Diese Platten gibt es manchmal, Platten, die man hört und sich noch Jahre danach erinnert, was man dabei gemacht hat. Als man in der großen Findungsphase Joy Divisions „Unknown Pleasures“ entdeckte oder später zu Notwists „Neon Golden“ unter freiem Sternenhimmel tanzte. Auch der 27-jährige Christoph, genannt Cico, Beck aus Egweil bei Eichstätt könnte die persönlichen Pop-Biographien jedes Hörers ergänzen. Unter seinem Künstlernamen Joasihno arbeitet er bisher maßgeblich an der musikalischen Gestaltung des Jahres 2011 mit. Da passt es gut, dass sich sein am heutigen Freitag veröffentlichtes, Debütalbum „We say: ,Oh well“ (Kyr Records) wie eine Serpentinenfahrt am Berghang anhört.
Im ersten Moment glaubt man gar nicht, was man da belauscht. Ein Erstlingswerk, ja, und doch so leicht, glockenrein, trommelnd-mäandernd, in allem gut strukturiert. Man findet allerlei Einflüsse auf dem Album, eine Weile glaubt man, dass da einer sein eigenes Popuniversum von The Notwist , Sigur Rós bis zum aktuellen Folk-Revival aufgearbeitet und zu diesem Kosmos noch seine eigenen Komponenten hinzugefügt hat. Als wären die Kinder der Gebrüder Acher erwachsen geworden und wollten nun sagen: „Schau mal Papa, was ich kann!“
Doch dann sagt Cico Beck, der auch bei beim Deggendorfer respektive Münchner Kollektiv Missent to Denmark mit an Bord ist, dass er gerade erst dabei sei, The Notwist kennenzulernen, dass eher Steve Reichs perkussives, nach Afrika entführendes Album „Drumming“ stilbildend auf ihn einwirkte. Eine immense Bedeutung für Joasihnos Platte haben auch die „fünf Räume voll mit Musikinstrumenten“ der Musikhochschule Münster, an der Beck derzeit klassisches Schlagzeug studiert. Denn während des etwa neun Monate währenden Aufnahmeprozesses öffnete Beck die Türen zum Perkussionsarsenal fast tagtäglich, probierte und zog heraus, was er für seine spielerischen Sounds brauchte. Darunter große Trommeln, kleine Trommeln, Vibraphone, Xylophone, Marimbas.
Großen Einfluss hatte auch Becks Afrikareise im vergangenen Jahr, bei der er die Doundoun, eine mit Kuhfell bezogene Basstrommel, entdeckte. „Die klingt im Gegensatz zu normalen Trommeln organisch und warm“, sagt er. Es ist die typische Klangfarbe des Albums. Neben Island, Weilheim, Afrika und Münster ist Eichstätt eine musikalische Bezugsgröße Joasihnos. Dort, im Keller des Elternhauses, hat Cico Beck die 13 Songs seines Debüts geschrieben und aufgenommen. Ihm ist es wichtig, dass die Räume, in denen seine Musik entsteht, spürbar werden.
Der Albumtitel spiegele, so Beck, seine Lebensphilosophie wider: „Mit den Irrungen des Lebens umgehen zu lernen, sich treiben lassen können.“ Höhepunkte herauszuheben fällt schwer, das ganze Album wabert, klirrt, pocht auf einem konstant hohem Niveau und ist wohl die beste Platte eines bayerischen Popkünstlers in diesem Jahr. Kommt „Von“ noch daher, als sei es von Sigur Rós selbst, kommt bei „A Case of doubt“ eine afrikanische Note hinzu, während beim Opener „We and it“ der euphorische Moment gepriesen wird. Ein Eindruck, der bleibt. Man sollte Joasihnos Debütalbum feiern. Würde man selbst professionell Musik machen, würde sie sich 2011 im besten Fall genau so anhören. Marco Maurer