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Empört euch endlich!

Schweizer Prominente wie Roger Federer schweigen zum Wahlkampf. Mit einem offenen Wort würden sie zwar Fans verlieren, aber an Grösse gewinnen.

Roger Federer war noch von der Partie gezeichnet, als er auf der Pressekonferenz überraschend nach seinem Eindruck vom Schweizer Wahlkampf gefragt wurde. «Die SVP», begann er, «ist doppeltes Gift für unser Land. Einerseits werde ich auf meinen Reisen immer wieder auf deren Kampagnen angesprochen. Andererseits vergiftet sie damit uns Schweizer selbst. Schön, dass Sie fragen, ich wollte schon lange sagen: Mit mir nicht.» Dann wechselte Federer in die Mundart und sagte: «D Schwiiz isch nöd nur SVP.»

Die gerade beschriebene Szene ist natürlich nie geschehen. Schweizer Prominente wie der Tennisspieler Federer und der Schriftsteller Martin Suter oder der ehemalige Nati-Coach Ottmar Hitzfeld äussern sich nicht zu politischen Angelegenheiten. Weder gegen noch für eine Partei. Es rührt sich auch zwei bis fünf Promi-Riegen darunter fast niemand. Oder haben Sie schon gehört, wie Michelle Hunziker die Flüchtlingspolitik kritisiert? Oder Christa Rigozzi? Kurt Aeschbacher? Nik Hartmann? Sie alle mischen sich nicht ein. Dort, wo sie die Chance hätten, einen Diskurs zu eröffnen oder etwas zu ihm beizutragen – nichts. Die Kampagne gegen Flüchtlinge lassen sie unkommentiert.

Ausnahmen gab es. Einerseits die Ex-Miss Linda Fäh, die ein Ständchen für die SVP sang, aber öffentlich darauf Wert legt, damit nicht politisch zu handeln. Der Komponist des SVP-Wahlsongs, Willy Tell, tat es ihr gleich. Anderseits gab es Wortmeldungen des Literaten Jörg Halter und der Sängerin Sophie Hunger, die aber – aufgrund mangelnder Massenkompatibilität – kaum taugen für eine Diskussion. Der Rest: das grosse Schweigen.

In den USA und in Deutschland ist es anders

Andernorts, in den USA etwa, lässt die Oscargewinnerin Jennifer Lawrence verbreiten, ein Präsident namens Donald Trump wäre frei nach einem alten R.E.M.-Song «the end of the world as we know it», während George Clooney Trumps Ansichten als «clearly, it’s idiotic» bezeichnet. Die «South Park»-Macher bringen Trump gleich um die Ecke – allegorisch natürlich.

Auch in Deutschland zeigen Prominente derzeit vermehrt ihre politische Haltung. Seit die Rassistenplattform Pegida immer grösser wird, Flüchtlingsheime brennen, die deutsche Asylpolitik aufgrund der Zustände in den überfüllten Unterkünften ihr Scheitern eingesteht, sagen immer mehr Prominente: Mit uns nicht. Denn wir, wir sind ein anderes Deutschland. Dieses Wir geht quer durch alle Branchen. Schauspieler wie Til Schweiger, Fussballtrainer wie Jogi Löw, CEOs und «Tagesschau»-Moderatorinnen, Intellektuelle und Moderatoren der Masse – alle empören sich.

Angela Merkels Zeichen, die deutschen Grenzen zu öffnen, kann so mitunter als ein Erfolg einer prominenten Öffentlichkeit gesehen werden. Dafür riskieren die Einzelnen auch den Konflikt mit den eigenen Fans. Til Schweiger, wäre er ein Schweizer, würde den SVP-Politikern kräftig in die Eier treten. In der Schweiz dagegen verhält es sich anders, die Prominenten haben keine.

Warum wagt niemand eine Parteinahme?

Zudem versagen auch Schweizer Medien. Federer und all die anderen Prominenten äussern sich vielleicht deswegen nicht, weil sie keiner fragt. Gerade das Schweizer Fernsehen (SF) erfüllt seinen öffentlichen Auftrag nur mangelhaft, kuscht in vorausschauendem Gehorsam vor Mitte-rechts. So wurde der Film des österreichischen und mitunter SVP-kritischen Autors Robert Menasse aus dem Programm gekickt. Ähnlich verfuhr der Sender mit zwei anderen Filmen. Die SF-Linie passt zum Gros der behäbigen SF-Moderatoren. Sie sind auch alle stumm.

Warum wagt niemand eine Parteinahme? Liegts an der Schweizer Mentalität? Gilt es als unschweizerisch, sich über das Volk zu stellen? Wagen Schweizer Promis nicht, ihr Publikum zu spalten, weil der Markt zu klein ist für eine Spaltung? Fesseln sie Werbeverträge?

Federer würde mit einem offenen Wort manchen Fan verlieren, aber an Grösse gewinnen. Das Schweizer Image im Ausland könnte eine Kurskorrektur bekommen. Auch der Einfluss auf hiesige Wähler ist nicht zu unterschätzen. Manch einer würde vielleicht vor dem Gang zur Wahlurne seine Haltung überdenken. Mancher Politiker würde es nicht wagen, dem dann wirklich grossen Federer, dem wirklich grossen Hitzfeld oder Suter zu widersprechen. Somit: Empört euch endlich! Marco Maurer